Agnieszka Pisarska
Welche Adjektiven können graduiert werden...
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2. SEMANTISCHE KRITERIEN DER KLASSIFIZIERUNG

In diesem Kapitel meiner Arbeit werde ich mich mit semantischen Kriterien der Klassifizierung der graduierbaren und nicht graduierbaren Adjektive befassen. Die Autoren der von mir herangezogenen Materialien verwenden sogar andere Begriffe für die Bezeichnung der Adjektive in semantischem Aspekt und sie teilen die zu untersuchenden Wörter in ganz verschiedene Gruppen auf. Diese Gruppen habe ich schon im letzten Kapitel genannt und näher charakterisiert. Jetzt möchte ich zu der Aufteilung der Adjektive bei verschiedenen Autoren und ihren Ähnlichkeiten und Unterschieden nur im Wortlaut und in der ganzen Bedeutung der Klassen übergehen.

Bei den ersten Autoren - G. Helbig, J. Buscha gibt es eine sehr allgemeine Aufteilung der Adjektive in zwei Gruppen. Es sind hier also qualitative und relative Adjektive genannt worden, die sich wesentlich voneinander unterscheiden.

In der Duden - Grammatik hat man schon mit einer anderen Aufteilung zu tun, die sich immer noch in den Grenzen der ersten hält, aber die Adjektive werden hier nach exaktem und tiefgründigem Kriterium geteilt. Laut Duden gibt es sensorische und qualifizierende Adjektive, die teilweise den qualitativen Adjektiven bei G. Helbig, J. Buscha entsprechen und ihnen teilweise ähneln. Die andere Gruppe bilden relationale und klassifizierende Adjektive, die teilweise den relativen bei G. Helbig, J. Buscha entsprechen und ihnen teilweise ähneln. Bei P. Eisenberg treten absolute und Qualitätsadjektive auf, die zur ersten Gruppe bei G. Helbig, J. Buscha angerechnet werden können und relative, deadverbale und denominale Adjektive, die sich der zweiten Gruppe anpassen. Beim letzten hier erwähnten Autor- U. Engel wurden Adjektive in qualifikative, quantifikative, referentielle, klassifikative und Herkunftsadjektive geteilt. Unter diesen entspricht nur die erste Gruppe von qualifikativen Adjektiven den qualitativen Adjektiven bei G. Helbig, J. Buscha. Die anderen entsprechen und ähneln teilweise den relativen Adjektiven bei G. Helbig, J. Buscha.

Nach dieser theoretischen Einführung möchte ich dieses Problem an konkreten Beispielen darstellen und erläutern. Bei dem Adjektiv schön sind sich alle Autoren einig, daß es komparierbar ist, es gehört auch bei allen Autoren zur Adjektivklasse von ähnlichen Merkmalen, die sich vor allem in der Bezeichnung der Klasse in sich, aber auch in einzelnen für sie spezifischen Dimensionen voneinander unterscheiden. Bei G. Helbig, J. Buscha gehört es zu qualitativen Adjektiven. "Die qualitativen Adjektive drücken die Merkmale ( Eigenschaften) eines Objekts der Realität direkt durch eigentliche Bedeutung aus (z.B. das große Haus, das kluge Mädchen, die heilbare Krankheit, der konkrete Hinweis)”. Bei P. Eisenberg gehört schön zu den Qualitätsadjektiven

z.B.: Marie ist ein schönes Mädchen
Schwarzwald ist ein schönes Gebirge
Die Mutter hat ein schönes Auto
In allen obigen Beispielen ist dieselbe Dimension also "Schönheit” gemeint. Zweifellos wird ein Mädchen durch andere Merkmale als ein Auto oder eine Landschaft schön. "Was "Schönheit” als Dimension meint hängt vom Kontext ab. Objekte, die ihrerseits alle schön sein können, sind miteinander bezüglich Schönheit unvergleichbar.” Das Charakteristische der Qualitätsadjektive kann ganz deutlich am Verhältnis der Antonyme zueinander gezeigt werden. "Paare von Qualitätsadjektiven haben nicht wie die relativen eine gemeinsame Dimension, sondern jedes hat eine eigene.” So kann nicht nur Positiv, sondern auch das negativ polarisierte Adjektiv die Bedeutung zur Äußerung bringen. U. Engel wird dasselbe Adjektiv qualifikativ nennen, weil es eine Eigenschaft oder Beschaffenheit nennt. Im letzten Buch, Duden – Grammatik, wird schön als qualifizierendes Adjektiv genannt, das bewertende Eigenschaften, genau die Ästhetik bezeichnet.

Und noch ein weiteres Beispiel davon anhand des Lokaladverbs dortig. In lexikalisch- semantischer Hinsicht ist bei G. Helbig, J. Buscha dortig als relatives Adjektiv zu betrachten. Es drückt das Merkmal eines Objekts der Realität durch dessen Beziehung zu einem anderen Objekt, bzw. Realitätsfaktor (Lage) aus, z.B.: dortiges Haus = das Haus, das sich dort befindet. Das Adjektiv wird als Objekt im Hinblick auf seine Lage beschrieben. P. Eisenberg verwendet für dieses Adjektiv einen anderen Begriff, der aber mit seinen morphosyntaktischen Eigenschaften verbunden ist, mit denen ich mich jedoch später beschäftigen möchte. Wenn es um die semantische Ebene solcher Adjektive geht, erwähnt er nur, daß ihre Bedeutung von einem Adverb ( in diesem Fall- dort) als Ersatzteil übernommen wird. Bei U. Engel wird dortig schon anders genannt. Es gehört zu der Gruppe der referentiellen Adjektive, die die räumliche oder zeitliche Lage, Abfolge nennen. In der Duden- Grammatik wird dortig ähnlich wie bei U. Engel im Hinblick auf die räumliche Lage dargestellt und analysiert. Laut Duden- Grammatik gehört dieses Adjektiv zu den relationalen Adjektiven, die die Zugehörigkeit bezeichnenden Eigenschaften kennzeichnen.

Die genannten Beispiele sollen dem Leser klar machen, daß die Bedeutung der einzelnen Adjektive, also die semantische Ebene eine große Rolle spielt, und daß die verschiedenen Autoren die Adjektive anders nennen und sich in ihren Untersuchungen immer noch nach neuen, genaueren Dimensionen richten.

 

2.1 GRADUIERBARKEIT DER ADJEKTIVE BEI VERSCHIEDENEN AUTOREN

In diesem Teil des dritten Kapitels will ich die Adjektive näher darstellen, die graduiert werden können. G. Helbig, J. Buscha erklären, daß viele qualitative Adjektive, also diese, die die Merkmale eines Objekts der Realität direkt durch die eigentliche Bedeutung der Adjektive ausdrücken, zu dieser Gruppe gehören, wie z.B. Lokaladjektive. Diese sind aber nur im beschränkten Maße als graduierbar darzustellen. Bei diesen Adjektiven kann nur der Superlativ jedoch nicht der Komparativ gebildet werden; z.B.
der untere Stock
der unterste Stock

Laut dem Grundriß der deutschen Grammatik von P. Eisenberg sind die Steigerungsformen bei den absoluten Adjektiven, die die Eigenschaften im eigentlichen Sinne bezeichnen, nämlich Farbadjektive und Formadjektive , teilweise möglich (blau, seidenmatt, rund, eckig). Farb- und Formadjektive sind in speziellen Kontexten komparierbar. "Das Farbspektrum bildet ein Kontinuum, daher kann es ein Ding als blauer, ein anderes als grüner bezeichnen. Ebenso kontinuierlich ist der Übergang von oval zu rund, daher kann das Ding in diesem Feld runder als ein anderes genannt werden. Wenn wir von eingeschränkter Graduierbarkeit sprechen, dann beziehen wir uns auf die Bedeutung.” Die relativen Adjektive sind auch komparierbar. Das möchte ich am Beispiel des relativen Adjektivs hoch erklären. Das Wort hoch enthält zwei Elemente - die Dimension (Höhe), die unmittelbar auf Art und Weise bezogen ist, wie sich der Mensch im Raum orientiert und wie sein Körperbau auf diese Orientierung ausgerichtet ist. So orientiert sich Höhe an der Richtung, die durch den aufrechten Gang vorgegeben ist. Das zweite Bedeutungselement ist die Orientierung auf einer metrischen Skala. "Hoch” bedeutet "Durchschnittshöhe wird überschritten”; z.B.:

Martins Haus ist hoch Martins Haus ist höher Martins Haus ist am höchsten

Martins Haus ist höher impliziert nicht, daß Martins Haus hoch ist. Der Komparativ teilt nichts darüber mit, wie sich Martins Haus zum Durchschnitt verhält, es bezieht sich allein auf einen bestimmten Vergleichswert. Martins Haus ist am höchsten besagt nur, daß Martins Haus die größte Höhe innerhalb einer gegebenen Vergleichsgruppe hat. Wenn Martins Haus am höchsten ist, kann es immer noch niedrig sein. Die relativen Adjektive sind also komparierbar, wenn es aber um die Bedeutung des Komparativs und Superlativs geht, müssen zwei Bedeutungselemente- Dimension und Orientierung auf einer metrischen Skala in Betracht gezogen werden. Weiter erläutert P. Eisenberg, daß die Qualitätsadjektive auch komparierbar sind. Der Grund liegt darin, daß sie in mancher Beziehung den relativen ähneln, sich aber als Teilklasse der absoluten Adjektive erweisen z.B.

Die Mutter ist gesund/ gesünder/ am gesündesten

Denominale Adjektive werden entweder kompariert oder nicht. So sind sie komparierbar in folgenden Fällen z.B. staubig, wolkig, langweilig. Der Himmel kann heute wolkiger als gestern sein oder Der Unterricht kann heutzutage noch langweiliger als vor 50 Jahren sein. Laut der Duden- Grammatik gehören alle sensorischen Adjektive zur Gruppe, bei der Vergleichsformen möglich sind. Das sind Adjektive, die solche Eigenschaften bezeichnen wie z.B. Farbe (rot, grün, schwarz), Form (rund, hoch, breit), Geschmack oder Geruch (sauer, bitter, fade) und Ton (laut, leise), Gefühl (rauh, weich) und Quantität (Zahl) (viel, wenig). Zu den komparierbaren Adjektiven gehören auch qualifizierende Adjektive, die bewertende Eigenschaften bezeichnen. Hier werden vier Gruppen der Eigenschaften genannt- Ästhetik (häßlich, ekelhaft), Moral (gut, schlecht), Intelekt (dumm, intelligent) und Dimension, unter anderem Höhe, Breite, Tiefe, Dicke, Zeit (hoch, schmal, flach, dünn, spät). In der deutschen Grammatik von U. Engel werden die Komparationsformen im allgemeinen so erklärt, daß der Komparativ als "Höherstufe” und der Superlativ als "Höchststufe” (jeweils gegenüber dem Positiv) zu bezeichnen sind, z.B.: Martin ist kleiner als Robert, aber Peter ist der kleinste von allen drei. Ein Widerspruch liegt darin, daß die Bedeutung eines Adjektivs bald eine Skala von Werten zu umfassen scheint, (das gilt für hoch in Wie hoch ist dieser Turm ? ) bald aber einen Extremwert auf derselben Skala darstellt (das gilt für hoch in Das ist aber ein hoher Turm). Man sieht, daß hoch eine unterschiedliche Bedeutung in beiden Sätzen hat. Im ersten Satz ist der Turm eigentlich kaum hoch, muß es wenigstens nicht sein wohl aber der im zweiten Satz. Laut U. Engel sind die meisten qualifikativen Adjektive komparierbar. Vor allem diese, die Eigenschaften und Beschaffenheiten bezeichnen (alt, blond, kühn).

Im nächsten Punkt dieses Kapitels befasse ich mich mit diesen Adjektiven, die nicht graduiert werden können.

 

2.2 DIE NICHT GRADUIERBARKEIT DER ADJEKTIVE BEI VERSCHIEDENEN AUTOREN

Wie ich im letzten Kapitel schon erwähnt habe, sind viele qualitative Adjektive graduierbar. Es gibt aber auch solche, die zwar qualitativ sind, bei denen aber die Steigerungsformen nicht üblich sind. Der Grund liegt darin, daß die Adjektive in diesem Fall die Eigenschaften mit Alternativcharakter bezeichnen, wie z.B.: fertig, gemeinsam, ledig. Als die nicht graduierbaren Adjektive sind auch relative Adjektive zu sehen, die Bezugsadjektive genannt werden, z.B. der brüderliche Wagen. Wenn aber diese Bezugsadjektive in übertragener Bedeutung als qualitative auftreten, wird es jedoch zugelassen, ihre Steigerungsformen zu bilden, wie z.B.: die nervösen Mädchen ( qualitatives Adjektiv - aufgeregt) die Mädchen sind nervös. Unter Herkunftsbezeichnungen sind auch folgende Adjektive nicht graduierbar, z.B. der französische Wein. Ähnlich ist mit den von Ortsnamen abgeleiteten Adjektiven, z.B. Hamburger Nummernschild, Leipziger Messe und allen Stoffnamen auf - ern und – en, z.B. eisern, seiden, wollen.

Zu den Adjektiven bei denen der Komparativ und Superlativ nicht üblich sind, gehören auch alle Temporal- und Lokaladjektive z.B. heutig, morgig, hiesig, dortig, jenseitig. Eine Klasse der nicht graduierbaren Adjektive bilden auch relative Adjektive, die auf -weise ausgehen und die Art und Weise des Geschehens bezeichnen z.B. teilweise, glücklicherweise. Es können auch einige von denominalen Adjektiven nicht kompariert werden. Zu dieser Gruppe gehören diese, die Personenbezeichnung besagen und auf -lich enden z.B.: väterlich, beruflich, ärztlich als auch diese, die Zugehörigkeit in einem weiten Sinne signalisieren z.B. deutsch, syntaktisch.

Ähnlich ist es mit den deadverbalen Adjektiven wie z.B. heutig, sonstig, hiesig, die Modalität ausdrücken und deren Sachverhalt nicht als tatsächlich zutreffend zu behaupten ist. Laut Duden - Grammatik werden auch solche als Adjektive genannt, die nie komparierbar sind oder solche, die nur im beschränkten Maße kompariert werden können. Hierher gehören vor allem relationale Adjektive, die die Zugehörigkeit bezeichnen, unter anderen Geographie (amerikanisch, afrikanisch, europäisch), Staat oder Volk (serbisch, polnisch, deutsch) und Religion (katholisch, protestantisch).

Nicht komparierbar sind auch klassifizierende Adjektive, die eine Klasse bzw. einen Typus bezeichnen, z.B. eine Epoche bezeichnende Adjektive (mittelalterlich, romantisch); Beruf ( ärztlich). U. Engel nennt auch einige Gruppen der nicht komparierbaren Adjektive. In der ersten Reihe sind das alle Adjektive, die Klasse, Ort oder Zeit zum regierenden Nomen angeben. Das sind die referentiellen Adjektive (anders genannt situativ), die die räumliche oder zeitliche Lage bzw. Abfolge nennen, u.a. Ordinalzahlwörter (z.B. die heutige Sitzung, das obige Fenster, die dritte Klasse). Ähnlich benehmen sich viele qualikative Adjektive, die nicht nur eine Größe, sondern auch ein Geschehen näher bestimmen ( z.B. wirklich, täglich, stark). Die meisten qualitativen Adjektive sind zwar komparierbar, aber zu dieser Gruppe gehören auch solche, die nie kompariert werden können. Das sind Adjektive, die als Partizipien auftreten (z.B. ein gekauftes Buch oder eine geöffnete Tür), hierher gehören auch viele Stoffadjektive ( ein hölzerner Stock, eine seidige Bluse).

Die Klasse der Adjektive, bei denen die Steigerungsformen nicht üblich sind, bilden auch die klassifikativen Adjektive, die die Klassenzugehörigkeit auf Grund bestimmter Merkmale angeben ( z.B. beruflich, kommunal). Eine berufliche Tätigkeit kann nicht noch beruflicher sein, sie ist entweder beruflich oder nicht. Es wird noch eine Gruppe der nicht komparierbaren Adjektive genannt, nämlich die Herkunftsadjektive ( z.B. Leipziger Messe, ein französischer Wein, Schweizer Uhr). U. Engel nennt noch eine Gruppe der nicht komparierbaren Adjektive, die eine Menge oder Anzahl bezeichnen. Das sind quantifikative Adjektive, unter anderen Kardinalzahlwörter ( drei, hundert ), viele, wenige usw.

An diesen Beispielen wollte ich die semantischen Kriterien der Aufteilung der Adjektive in die graduierbaren und nicht graduierbaren näher darstellen und zeigen, welche eine große Rolle die Bedeutung der einzelnen Adjektive auf die Komparationsmöglichkeit ausübt. Im nächsten Kapitel befasse ich mich mit den syntaktischen und morphosyntaktischen Klassifizierungskriterien.


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Erstmals erstellt: 18. November 2000

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