Jan Wohlgemuth
Grammatische Kategorien und ihre Ausprägungen im Tok Pisin von Papua-Neuguinea
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3. Ausprägungen ausgewählter grammatischer Kategorien

Wer zum ersten Mal Tok Pisin hört, ist irritiert. Englische Vokabeln und Papua-Wörter, mit nahezu lupenreiner deutscher Phonologie, sind flexionslos aneinander gereiht. Wie soll man denn so kommunizieren? Aus unseren Muttersprachen und den uns umgebenden Sprachen in Europa sind wir ein gewisses Maß an Flexion und Formenvielfalt gewohnt, auch wenn dieses von Sprache zu Sprache unterschiedlich groß ist. Ein Satz in Tok Pisin hingegen scheint viele der uns vertrauten Kategorien gar nicht auszudrücken:

1) Yu save draiva trak bilong em i arasait?
Du kennen Fahrer Lastwagen gehören er PM draußen.
Kennst du den Fahrer, dem der Lastwagen da draußen gehört?

In diesem Satz sind weder Kasus noch Genus noch Numerus markiert. Auch die Bestimmtheit wird nicht ausgedrückt.
Von dieser Tatsache ausgehend sollte jedoch nicht geschlossen werden, daß es im Tok Pisin keine grammatischen Kategorien gäbe oder keine Möglichkeit, die selben Sachverhalte genauso differenziert auszudrücken, wie wir es im Deutschen oder Englischen können.
In diesem Kapitel möchte ich zunächst einige Beispiele anführen, wie im Tok Pisin bestimmte semantische und grammatische Kategorien ausgedrückt werden, bevor ich im folgenden Kapitel die verschiedenen Ursachen dafür darstelle.

3.1 Tempus / Aspekt / Modalität

Der erste Bereich von Kategorien, den ich hierzu betrachten möchte, ist sehr vielschichtig und seine Teile sind nur schwer zu trennen, da sie alle die Aussage des Prädikats modifizieren. Deren Zusammenfassung für das Tok Pisin stammt von VERHAAR, der sie wie folgt begründet:

"While expressions of tense, aspect, and modality add up to quite a few descriptive complications for any particular language, the most prominent complication is in this: how, tense, aspect, and modality are intertwined - as they are in any language. In English, for example, tense may be used for the irrealis modality (past tense in If he came, I would not deny him entry); [...].” (VERHAAR, S. 311)

In Anlehnung an VERHAAR möchte ich diese Zusammenfassung als T-A-M-System (vgl. ebd.) bezeichnen.

3.1.1 Tempus

Zeitverhältnisse werden im Tok Pisin lexikalisch ausgedrückt, wobei die Gegenwart unmarkiert ist. Betrachten wir zunächst einige Beispielsätze:

2) Pukpuk hia i gat bikpela tis.
Krokodil hier PM haben groß-AM Zähne
Das Krokodil hier hat große Zähne.
3) Ol i bin slip long haus bilong mi.
alle PM PRÄT schlafen PRÄP Haus POSS ich
Alle haben in meinem Haus geschlafen.
4) Sapos yu kaikai planti pinat bai yu kamap strong olsem Phantom.
wenn du essen viel Erdnuß FUT du werden stark wie (das) Phantom
Wenn du viele Erdnüsse ißt, wirst Du auch so stark wie das Phantom werden.

Vorzeitigkeit kann also durch bin (< engl. been 'gewesen') markiert werden, Nachzeitigkeit durch bai (< baimbai < engl. by and by). Wobei das genaue Zeitverhältnis und die Zeitstufe aus dem Kontext zu erschließen sind. Bin kann auch eine Vorzeitigkeit zu einer zukünftigen Handlung ausdrücken, oder die Vorzeitigkeit einer hypothetischen Vergangenheit (Irrealis); Vergleichbares gilt auch für bai. (vgl. VERHAAR S. 312-316)

3.1.2 Aspekt

Neben dem Zeitverhältnis kann aber auch noch eine Aussage darüber getroffen werden, ob eine Handlung andauernd oder abgeschlossen ist, ob sie gewohnheitsmäßig oder wiederholt geschieht oder ob ihr ein Naturgesetz o.ä. zugrunde liegt. Hierzu einige Beispielsätze:

5) Mi go pinis de olgeta.
Ich gehen beenden Tag ganz.
Ich bin den ganzen Tag gegangen.
6) Tripela arapela pipol em ol i bin dai pinis, ol i bin painim ol sampela aua bihain aninit long bikpela hap ol ais.
drei-AM anders-AM Leute PPRON(3) alle PM PRÄT sterben beenden REL PM PRÄT finden-TR PPRON(3PL) einige-AM Stunde später unter PRÄP groß-AM Haufen alles Eis
Drei weitere Leute waren bereits gestorben, als sie nach mehreren Stunden unter einem großen Haufen Schnee gefunden wurden.
7) Ol i kaikai i stap.
Alle PM essen DUR
Sie essen gerade. / Sie sind dabei, zu essen.
8) Hamas de pikinini i sik i stap?
wieviel Tag Kind PM krank (sein) DUR
Wie viele Tage war das Kind krank?
9) Na tupela i wok long tok pait long ai bilong king.
Und zwei-AM PM DUR reden Kampf PRÄP Auge POSS König.
Und die beiden fuhren fort, sich vor dem König zu streiten.
10) Em i wok long krai i stap.
PPRON(3) PM DUR weinen DUR
Er/Sie weinte und weinte.
11) Em i wok long gro i go i go.
PPRON(3) PM DUR wachsen DUR
Es wächst beständig weiter.
12) Malaria em i namba wan sik i save bagarapim ol manmeri bilong dispela kantri.
Malaria PPRON(3) PM Nummer eins Krankheit PM können zerstören-TR alle Männer-Frauen POSS DPRON-AM Land. Malaria ist die Krankheit Nummer eins, die die Menschen dieses Landes umbringt.

Eine abgeschlossene Handlung (Perfektiver Aspekt) wird durch pinis 'beendet, beenden' angezeigt, wobei diese in Vergangenheit oder Zukunft liegen kann, die Vergangenheit jedoch implizit ist.
Eine andauernde Handlung kann durch verschiedene Marker angezeigt werden, wobei im Tok Pisin die Formen dieses Progressivs oder Durativs nicht verneint werden können, da sie nur mit Aussagen im Realis verbunden werden können. (VERHAAR S. 318 f.)
Die Marker für den Durativ sind: i stap, wok long und i go i go, wobei auch mehrere Marker gleichzeitig verwendet werden können. (Vgl. Sätze 10 und 11.) Eine gewohnheitsmäßige Handlung oder eine Eigenschaft (Habitualer Aspekt) können mit save 'können' markiert werden.

Die verschiedenen Aspekte werden im Tok Pisin lexikalisch ausgedrückt, jedoch analog einem morphologischen Prinzip, das es in vielen Papuasprachen gibt. Hierbei werden dem Verb ein oder mehrere Verben angehängt, die entweder den Verlauf einer Handlung oder aber deren Andauern bzw. deren Abgeschlossenheit beschreiben. Dieses Aneinanderhängtsein ist so eng, daß morphophonologische Prozesse sich über die gesamte Verbkette erstrecken können. (Vgl. FOLEY, S. 142-158)

Im Tok Pisin ist diese Verb-Reihung nicht so stark ausgeprägt, bringt aber Bildungen wie in Satz 11 hervor. Wie nah sich diese Bildeweisen aber sind, soll folgendes Beispiel aus dem Fore zeigen:

13) kana-mi-i-e
come-stay-3SG-A-DECL. 'he is coming'
(Nach FOLEY, S. 144)

Ein weiterer Aspekt fällt in der Art seiner Bildung aus diesem System heraus: Intensive oder mehrfach wiederholte Handlungen (Intensiv, Iterativ) können durch Reduplikation des Verbs ausgedrückt werden.

14) Bai sampela ol i toktok i stap na ol i no harim gut tok bilong yu.
FUT einige-AM PPRON(3PL) PM reden-reden DUR und PPRON(3PL) PM NEG hören-TR gut Rede POSS du
Einige von ihnen werden weiter plappern und sie werden nicht hören was du sagst.

Reduplikation findet sich in FOLEYs und Wurms Beschreibungen der Papuasprachen nicht. Wurm erwähnt nur, daß in einem der Zweige Reduplikation beim Adjektiv "nicht unüblich” sei. (Wurm, S. 62). Auch in der englischen Grammatik gibt es sie kaum. Nach QUIRK/GREENBAUM sind reduplizierte Formen nur in informeller Sprache zu finden und gehen wohl auf die Sprechweise gegenüber Kindern zurück. (QUIRK/GREENBAUM, S. 448).
Die Wurzeln dieses Phänomens sind also an anderer Stelle zu suchen, nämlich im Prozeß der Kreolisierung. Reduplikation als Wortbildungsmittel und zur Signalisierung von wiederholten Handlungen ist hier weit verbreitet und in fast allen Pidgins und Kreols produktiv. (vgl. HELLINGER, S. 117f.).

3.1.3 Modalität

Die Modifizierung der Verbaussage geschieht im Tok Pisin, wie in vielen Sprachen (vgl. KATAMBA, S. 222) durch das Hinzufügen lexikalischer Einheiten, insbesondere: inap, ken, laik, mas und save, die Fähigkeit, Wunsch, Verpflichtung, Absicht, Notwendigkeit, Verbot, Möglichkeit etc. ausdrücken. Ihre Verwendung ist, wie im Englischen, an eine Reihe von Regeln gebunden, die sich teilweise überlappen. Insgesamt stellt sich das Bild im Tok Pisin aber so dar, wie es auch im Englischen ist, wenn auch das Englische eine weitaus größere Anzahl an Modalpartikeln hat. (vgl. QUIRK/GREENBAUM, S. 37 und VERHAAR S. 323).
Hierzu einige Beispiele:

15) Mi no inap pasim maus moa.
ich NEG können schließen-TR Mund mehr
Ich kann nicht mehr schweigen.
16) Yu noken [= no + ken] stap hia.
du nicht können bleiben hier
Du kannst (=darfst) nicht hier bleiben.
17) Yumi save tok pisin.
wir(incl.) können sprechen Pidgin
Wir können Tok Pisin sprechen.
18) Mi laik baim sampela pis.
ich mögen kaufen-TR etwas-AM Fisch.
Ich möchte etwas Fisch kaufen.
19) Mi mas i go long dokta.
ich müssen PM gehen PRÄP Arzt.
Ich muß zum Arzt gehen.

Modus wird im Tok Pisin nicht durch eigene Formen ausgedrückt; meistens ist die Unterscheidung von Realis, Irrealis und Potentialis implizit. Wobei oft Signalwörter wie sapos 'vorausgesetzt, wenn' verwendet werden.

20) Sapos yumi wokabaut lek, dispela em i hevi.
Wenn wir(incl.) gehen Fuß DPRON PPRON(3SG) PM schwer.
Wenn wir zu Fuß gingen, wäre das zu schwer.
21) Mi ting i gutpela sapos mi no bin wokim ol.
ich denken PM gut wenn ich NEG PRÄT machen-TR PPRON(3PL)
Ich glaube es wäre besser (gewesen), ich hätte sie nicht gemacht.

3.1.4 Zusammenfassende Betrachtung des T-A-M-Systems

Auch wenn vieles, was im Englischen markiert wird, im Tok Pisin unmarkiert bleibt, sind hier doch die Parallelen zum Englischen unverkennbar. Es gibt eine Verquickung dieser drei Kategorien, die eine klare Trennung nicht zuläßt. (Zu den Gründen dieser engen Verbindung siehe KATAMBA, S. 223f.) Wenn eine Kategorie dieses Systems ausgedrückt wird, so geschieht dies in den meisten Fällen lexikalisch, von der Reduplikation beim Iterativ einmal abgesehen.

3.2 Transitivität / Fokus

Ein gänzlich abweichendes Bild bietet sich jedoch bei der Transitivität und den mit ihnen zusammenhängenden Phänomenen. Im Englischen werden transitive und intransitive Verben nicht formal unterschieden. (QUIRK/GREENBAUM, S. 14).
Im Tok Pisin hingegen werden transitive Verben durch den Marker -im gekennzeichnet. (vgl. VERHAAR, S. 334):

22)[...] na i gat mak tupela leta ”E” krosim wanpela narapela bilong soim mak bilong despela niupela moni "Euro" [...].
und PM haben Zeichen zwei-AM Buchstabe ”E” kreuzen ein-AM ander-AM PRÄP. zeigen-TR Zeichen POSS. DPRON. neu-AM Geld ”Euro”
[...] und trägt das Zeichen zweier Buchstaben ”E”, die einander überschneiden, um das Symbol der neuen Währung ”Euro” darzustellen [...]
23) Long Europe ol i gat niupela moni [...], em ol i kolim long "Euro".
PRÄP Europa alle PM existieren neu-AM Geld REL alle PM nennen-TR PRÄP "Euro"
In Europa gibt es eine neue Währung, die ”Euro” genannt wird.
24) Strongpela raun-win, [...], i bin kamapim bikpela bagarap long Guam.
stark-AM rund-Wind PM PRÄT heraufkommen-TR groß-AM Zerstörung PRÄP Guam.
Ein starker Wirbelsturm, [...], hat in Guam große Zerstörung hervorgerufen.
25a) Mi save rait.
ich kennen schreiben
Ich kann schreiben.
25b) Mi save raitim pas.
ich kennen schreiben-TR Post
Ich kann einen Brief schreiben.

Wie man an den obenstehenden Sätzen sehen kann, wird also die Transitivität eines Verbs markiert, wenn es transitiv gebraucht wird. (Siehe Sätze 25 a und b). Auch reflexive (reziproke) Verben (Satz 22) und kausative Verben (Satz 24) werden durch -im markiert. Diese Art Markierung gibt es in keiner der Spendersprachen des Tok Pisin, und sie ist eines seiner unverwechselbaren Merkmale. (vgl. HELLINGER, S. 121).

Eine Besonderheit ist die Konstruktion in Satz 23. Im Tok Pisin gibt es keinen Passiv, um das Objekt einer Handlung in den Vordergrund zu rücken (vgl. VERHAAR, S. 334), wie in dt.: Der Hund wurde geschlagen. Tok Pisin erreicht die Verlagerung des sogenannten Fokus dadurch, daß das Subjekt der Handlung in den Hintergrund tritt, indem es durch ol ersetzt wird, das hier als indefinites Pronomen ('man') aufzufassen ist. (vgl. a.a.O., S. 336). Warum eine Verschiebung des Objekts an den Satzanfang nicht zulässig für diese Fokusverlagerung ist, zeigt sich im nächsten Abschnitt.

3.3 Kasus / Subjekt-Objekt-Beziehung

Anhand des Beispielsatzes 1) hatten wir bereits festgestellt, daß der Kasus eines Substantivs im Tok Pisin nicht markiert wird. Dem aus einem Syntagma isolierten Substantiv kann man also nicht mehr ansehen, welche Syntaktische Position es besetzt. (vgl. dt.: dem Mann., was eindeutig ein Objekt sein muß). An keiner Stelle im Satz werden im Tok Pisin Subjekt-Objekt-Beziehungen morphologisch markiert, sie werden lediglich die Position im Satz selbst ausgedrückt. Daher hat das Tok Pisin, wie auch das Englische eine sehr rigide Syntax. Auch die meisten Papuasprachen haben eine strenge Syntax (i.d.R. strikt SOV), obwohl hier Subjekt- und Objektmarker an Substantiven und teilweise auch Verben die Regel sind. (vgl. Wurm S. 60-63). Tok Pisin folgt hier jedoch klar dem Englischen Muster SVO.

Angesichts dieser Regel ist es offensichtlich, daß eine syntaktische Umstellung nicht eine Verschiebung des Fokus sondern vielmehr eine komplett andere Satzaussage bewirken würde. Hieraus erklärt sich, warum sich im Tok Pisin ein anderes System herausgebildet hat.

3.4 Numerus

Eine weitere Kategorie, die wir im Beispielsatz 1) nicht ausgedrückt fanden, ist der Numerus. Um die Realisierung von Numerus bzw. "Anzahl” im Tok Pisin zu untersuchen, betrachten wir weitere Beispielsätze:

26) Em i sindaun long wanpela ston.
PPRON(3SG). PM hinsetzen PRÄP. eins-AM Stein
Er/sie setzt sich auf einen Stein.
27) Kapa bilong pinga i waitpela.
Kappe, Deckel POSS. Finger PM weiß-AM.
Der Fingernagel ist weiß. / Fingernägel sind weiß.
28) Insait dispela ples i gat dok i kaikai ol man na meri!
innen DPRON-AM Ort es gibt Hund PM essen alle Mann und Frau
An diesem Ort gibt es einen Hund, der alle Männer und Frauen beißt.
(Korrekter wäre es, zu sagen ”i kaikaiim ol man na meri”; vgl. Kap. 3.2)
29) Sampela yangpela meri tu i kam.
einige-AM jung-AM Frau auch PM kommen
Einige junge Frauen kamen auch.
30) Mi dringim liklik hap wara.
ich trinken-TR klein bißchen Wasser
Ich trinke ein bißchen Wasser.

Die semantischen Kategorien "Einzahl” und "Mehrzahl” werden also unterschieden, jedoch gibt es keine morphologische Markierung der Numeri. Tok Pisin ist also eine Sprache, die numerusindifferent ist. "Anzahl” kann, wie in Satz 26) durch ein Zahlwort, welches als unbestimmter Artikel verwendet wird, ausgedrückt werden, oder aber durch Begriffe wie ol 'alle' oder sampela 'einige', deren Bedeutung eine Mehrzahl impliziert. In generellen Aussagen, wie Satz 27) muß eine solche lexikalische Markierung jedoch nicht stehen. Es gibt eine Unterscheidung zwischen zählbaren und nichtzählbaren Nomina, den nichtzählbaren muß, wie im Englischen und Deutschen auch, ein sogenannter classifier vorangestellt werden, vgl. Satz 30).

Auch beim Verb wird kein Numerus ausgedrückt, es bleibt gänzlich unverändert. In der Regel sind die Person und die Anzahl an anderer Stelle im Satz oder im Kontext bereits ausgedrückt, so daß eine Eindeutigkeit gegeben ist.
Wenn dies nicht der Fall ist, wie bei dem kontextlosen Beispiel 31, gibt es mehrere mögliche Deutungen:

31) Wokim bokis na pulimapim graun long em.
machen-TR Kiste und füllen-TR Boden PRÄP. PPRON(3).
( Mach-(?) Kiste(n) und füll-(?) sie mit Erde. )

Mache eine Kiste und fülle sie mit Erde.
Mache Kisten und fülle sie mit Erde.
Macht eine Kiste und füllt sie mit Erde.
Macht Kisten und füllt sie mit Erde.
(Eine) Kiste(n) bauen und mit Erde füllen
. (Als elliptische Antwort auf eine Frage wie: ”Was sollen wir jetzt machen?” o.ä.)

Problematisch wird die Frage nach dem morphologischen Numerus beim Pronomen. VERHAAR nimmt hier nämlich an, daß Tok Pisin nicht nur Singular und Plural, sondern auch Dual und Trial hat, wobei sich Ausprägungen dieser Kategorien nur bei den Personalpronomina finden lassen. (Vgl. VERHAAR, S. 354ff). So gebe es neben yumi und mipela (exklusives und inklusives 'wir') im Plural auch noch die Dualformen yumitupela bzw. mitupela und die Trialformen yumitripela bzw. mitripela. Außerdem seien auch Bildungen wie mifopela 'wir vier EXCL.' möglich.

Diese Deutung halte ich für eine Fehlinterpretation VERHAARs. Es gibt keinen einleuchtenden Grund, warum es ausgerechnet beim Personalpronomen eine derartige Ansammlung von Numeri geben sollte, die im System von Tok Pisin ansonsten überhaupt nicht anzutreffen ist. Zwar gibt es nach FOLEY in vielen Papuasprachen ein sehr differenziertes System von Personalpronomina, das inklusive und exklusive Formen in der 1.Pl. unterscheidet und zum Teil auch Dualformen kennt, jedoch seien Trial und Paukal nur sehr selten zu finden. (vgl. FOLEY S. 66-74). So setzt er für das Tok Pisin zwar ebenfalls einen Dual bei den Personalpronomina an, relativiert aber zugleich:

"-pela is a marker of nonsingularity that occurs with most nonsingular nouns. The dual, indicating two tokens of the referent, is expressed by the numeral tu 'two', occurring after the pronoun base and before -pela.” (FOLEY, S. 67)

Deswegen ist es meiner Meinung nach nicht sinnvoll, von einem Dual zu sprechen, da dies das Vorhandensein einer grammatischen Kategorie andeutet, die es so im Tok Pisin gar nicht gibt. In den Papuasprachen, die Tok Pisin zugrunde liegen, gibt es diese Numeri teilweise: Singular und Plural sind in allen Unterfamilien zu finden, der Dual ist relativ weit verbreitet in zwei von drei Untergruppen, der Trial kommt selten bis gar nicht vor. Wenn aber Dual oder Trial vorhanden sind, so sind sie es nicht bloß am Personalpronomen sondern auch am Verb markiert, und zwar nicht mit einem Zahlwort oder einem Derivat davon, sondern mit bestimmten gebundenen Morphemen. (Vgl. FOLEY, S. 130ff. und Wurm S. 60)

Die Papua-Sprecher haben also in das entstehende Pidgin eine semantische (!) Unterscheidung eingebracht, die sich in einigen der Muttersprachen an mehreren Stellen morphologisch niederschlägt. Wegen dieser im Tok Pisin vereinzelt auftretenden Formen jedoch eine Reihe von vier Numeri für das Tok Pisin anzusetzen, die ausschließlich am Personalpronomen markiert sind, halte ich für übertrieben. Zumal VERHAAR darauf hinweist, daß auch Bildungen mit höheren Zahlwörtern wie mifopela zulässig sind. Warum setzt er dann nicht auch einen Tetral etc. an?

Meines Erachtens handelt es sich bei den Pronomina vom Typ mitripela nicht um Repräsentationen von Numerus, sondern vielmehr um eine offene Klasse kontrahierter Zusammensetzungen von Pronomen plus Zahlwort, die sich im Tok Pisin etabliert hat.

Daß eine Kategorie wie Numerus, die wortklassenübergreifend ist, sich ausschließlich in einer einzigen Wortklasse ausbildet, dafür in dieser aber mit einer solchen Vielzahl von Ausprägungen, ist doch höchst unwahrscheinlich, zumal es sich in diesem konkreten Fall zunächst um ein Pidgin gehandelt hat, welches (nach HOLMs Definition, vgl. Kap. 2.4) auf größtmögliche Sprachökonomie zielt.

Meiner Meinung nach gibt es also im Tok Pisin die grammatische Kategorie Numerus nicht, sondern ausschließlich eine semantische Kategorie "Anzahl”, die lexikalisch ausgedrückt werden kann, und die an Stellen ausgedrückt wird, an denen sie in einigen der Spendersprachen (morphologisch) stark markiert ist.


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